Un chapitre du site „Erstein67“ juin 2015
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Die Andres wohnten in Erstein, zwar im "Gassel", das von der Dorfhauptstrasse, kurz nach dem Nordeingang des Ortes, hinüber zur Schule zog. Gleich dort, fast am Eck, stand früher auch die Synagoge, die leider verschwunden ist. Das grossväterliche Haus war eher klein aber es genügte vollauf fur die damaligen Verhältnisse. Ein Pförtchen fuhrte in den kleinen Hof und neben dem Pförtchen gelangten die Kunden über drei Stufen in den Zuckerbäckerladen in dem Grossmutter allerlei Zuckerbackwerk und Süssigkeiten verkaufte, die Grossvater hinten in sei­ner Zuckerbäckerküche zubereitete. Er war nämlich Zuckerbäcker seines Zeichens, etwas nobler ausgedrückt : Konditor, wie es auch auf der grossen Tafel zu lesen war, die über der Ladentür angebracht war und die lange Jahre dort noch zu sehen war.

Unter den Leckerbissen die Grossvater herstellte, muss unbedingt sein Lebkuchen erwähnt werden. Er war Grossvaters Spezialität geworden und das Rezept dieses Lebkuchens wird heute noch in der Familie von Génération zu Génération weiter vererbt. Woher dieses Rezept stammte weiss ich nicht, vielleicht hatte er es gar selbst zusammengesetzt. Er hatte seinen   Beruf beim  damais  beruhmtesten   Konditor Strassburgs erlernt, bei Olivier.

Seine Lebkuchen jedenfalls waren allgemein beliebt. Ein eigens dazu bestellter und entlohnter Gehilfe zog, wenn die Lebkuchenzeit, vor Weihnachten, anbrach, mit einem beladenen Wagelchen e Laiterwajele  und zu Fuss durch die Dorfer der naheren Umgebung, um Grossvaters Lebkuchen zu verkaufen. Dieser Mann, auch er ein Original, hiess Jacob, Schakob.

Vater erzählte, unter anderem, dass er, lange nach Grossvaters Tod, noch das "Clap-Clap" der "Schlappe" hörte, das durch das kleine Haus tonte, wenn Grossvater mit einem grossen Blech voiler duftender Lebkuchen zur Backstube trippelte um es in den Ofen zu schieben. Grossvater war eher klein von Gestalt, aber wenn er so mit einem Blech daherkam, durfte ihm keiner in die Quere kommen. Onkel Antoine, der zweite der Andresbuben, der später das Zuckerbäckergeschäft übernahm, war übrigens genau so.

Grossvater war auch ein guter Musiker der, wie Vater sagte, ganz leidlich Geige spielte. Darüber musste sich Vater immer wundern, da Grossvater kurze, dicke Finger hatte.

Damit wäre über Grossvater eigentlich ailes gesagt, was hier zur Sache gehort, nämlich, dass er ein Künstler war, in seinem Beruf wir auch ausserhalb dieses Berufes. Damit hätte ich auch die Vermutung ausgesprochen, dass sich dieses künstlerische Tempérament auf seine Söhne ubertrug, wenn auch in recht verschiedener Weise.

Ganz kurz will ich auch der Grossmutter gedenken. Sie war, soweit ich mich entsinnen kann, denn auch sie habe ich nur in jüngsten Jahren gekannt, und nach einem ähnlichen Porträt von Onkel Célest zu urteilen, eine schöne, etwas streng aussehende Dame.

Lehr und Wanderjahre

In diesem kleinen Haus nun wurde, als erstes Kind, Célestin, damals Celestin, Andres geboren. Von seinen Kinder und Jugendjahren weiss ich natürlich nicht viel zu erzählen. Am besten überlass ich ihm das Wort :

"Geboren bin ich am 18. Mai 1880 in Erstein woselbst mein Vater Zuckerbäcker war. Mit 6 Jahren kam ich an die hieseige Volksschule. Da ich glaubte Talent zum Zeichnen und Malen zu haben, schickte mich mein Vater zu einem hiesigen Meister in die Lehre. Im Winter besuchte ich dann die Kunstgewerbeschule in Strassburg. "

dieses kurze, nüchterne Notiz, muss erörtert werden. Ich kann mir nämlich vorstellen, dass der Onkel in diesem kleinen Haus und im Flecken Erstein, fast ein Städtchen in dem allerlei los war, etwas mehr erlebte als dieses paar Zeilen vermuten lassen. Gleich oder fast gleich hinter dem Haus stand die Synagoge und wenn die judische Gemeinde den "langen Tag" mit dem ebensolangen Fasten feierte, konnte es vorkommen, dass ein judischer Mitbürger, des Fastens müde, an das Fenster der Zuckerbäcker küche klopfte und sich einen Happen erbat wenn es Abend wurde. Nichts was sich aber auch sonst im Dorf ereignete, konnte dem jungen Buben entgehen. Da war auch der "Bruhli", dieses grosse, fur Kinder gewaltige, Mattenfläche an die sich gen Krafft hin der Riedwald anschliesst. Auf diesem "Bruhli" baute ein findiger Kopf, namens Fink, einen Turm, den "Finkedurm", auf dem er allerlei Expérimente durchfuhrte. Ob Onkel Celest dem Bau des Turms beigewohnt hat, entgeht meiner Kenntnis, aber auch ohne diesen Turm war der Bruhli der idéale, ich möchte sagen paradiesische, Spielplatz der Dorfjugend.

Als Kind schon muss sich der junge Celest mit den prachtvollen Bildern der Riedlandschaft, ein vielseitiges Abwechseln von Wald, Wiesen und Wasser, vollgesaugt haben, die er dann spater als Künstler so schön und als echter Romantiker in vielen seiner Malereien wiedergegeben hat. dieses Landschaften sind zwar heute weder verschwunden noch weniger abwechslungsreich geworden ; durch den Fortschritt und die dauernd um sich greifende Besiedlung sind sie nur etwas verdeckt worden.

Ein wilder Junge, wie wir es etwa vierzig Jahre spater waren, meine ersteiner Vetter und wir, wenn wir in Erstein einige Sommerwochen verlebten, war er gewiss nicht. Onkel Celest durfte schon als Junge ein zartbesaitetèr Mensch gewesen sein, dessen ganze Energie im Herzen, im Kopf und in den Händen lag.

Grossvater hätte gewünscht, dass dieser, sein attes­ter Sohn, allein schon des sozialen Aufstiegs wegen, Schulmeister werde. Es gelang dies dem besorgten Grossvater allerdings erst bei seinem dritten und jüngsten Sohn. Celest wollte Maler werden und das setzte er beim verständnisvollen Zuckerbäcker dann auch durch.

Er war auch, in diesen jungen Jahren, oft droben auf der Orgel in der schönen, grossen katholischen Kirche, die er spater teilweise ausschmückte. Der Schalk muss ihm doch mitunter im Nacken gesessen haben, denn der Blasbalgtreter  damais verfügten viele Orgeln noch nicht über elektrisch betriebene Blasbalgen  drohte ihm mit dem Finger, während er geflissentlich auf den langen Hebeln herumtrat, und flüsterte ihm zu "Celestelein, schon brav sein !"

Dieses Jahre vergingen im Flug und schon war aus dem Jungen ein Jüngling geworden.

Nach Austritt aus der Lehre  Gesellenprufung gab es damais noch nicht im Elsass  ging es in die Fremde. Zuerst arbeitete ich bei einem Kirchenmaler im Elsass. Mit 18 Jahren zog ich dann nach München, wo ich im Herbst als jüngster Kandidat die Auf Nahmeprüfung an die Akademie der bildenden Kunste mit Erfolg bestand. Ich wurde Schiller bei Professor Rampp. Während der folgenden Jahren arbeitete ich im Sommer praktisch als Dekorationsmaler und mit den erübrigten Mitteln studierte ich im Winter in München weiter.

So lernte ich einen grossen Teil Deutschlands, der Schweiz und Oesterreichs kennen. Von Luxembourg bis an dasjetzt so bekannt gewordene Hulîschiner Ldndchen, erstreckte sich unsere Tdtigkeit. Eine Sutdienreise führte mich bis nach Krakau. Das Arbeitsfeld war meistens die Kirchenmalerei. Zu meiner grossen Freude lernte ichdabei auch Land und Leute der genannten Länder kennen. "

Das war zwischen 1898 und 1908 etwa, während des Uebergangs vom XIX. in das XX. Jahrhundert.

Dass der Onkel nicht nur ein fleissiger Schüler, sondern auch ein gewissenhafter Arbeiter war, beweisen zwei Dokumente : ein Zeugnis der "Königlich Bayerischen Académie der bildenden Künste" zu München, sowie das Gutachten des damais bekannten Bildhauers Klem, der in Colmar ein Ate­lier betrieb, spezialisiert in der Kirchendekoration.

"Herr Célestin Andres aus Erstein hat die Akademie als Studierender der Naturzeichnenklasse des unterzeichneten Professors während des Wintersemesters 1900/01 besucht, sich im Fleiss und Betragen die erste und im Fortschritt die zweite Note erworben". München am 18. Marz 1901.  Der k. Professor Rampp."

Die erste Note lautet : sehr gross, sehr gut, sehr lobenswürdig.

Die zweite Note lautet : gross, gut, lobenswürdig.

Auf dem Gutachten steht :

"Bescheinige hiermit, dass Inhaber dieses, Andres Celestin aus Erstein bei mir in der Zeit vom 10. Mai 1906 bis 20. November 1906, und vom 5. Mai 1907 bis 23. November 1907 als Decora- tionsmaler beschäftigt gewesen ist. Mit seiner Leistung sowie Aufführung war ich stets zufrieden und kann denseiben als tüchtiger Arbeiter nur empfehlen.  Colmar, den 23. November 1907.  Th. (Theophil) Klem."

Mit solchen Empfehlungen ausgerüstet setzte Onkel Celest seine Wanderjahre fort. Er arbeitete bei einem bedeutenden Maler und Spezialisten der Kirchenmalerei, Hans Martin, der in der Schweiz und in Suddeutschland Aufträge hatte. So kam er bis nach Schlesien. Er weilte auch einige Zeit am Bodensee, wo er unter Martin Feuerstein wirkte, der damais der wohl bekannteste Kirchenmaler im süddeutschen Raum war. Hans Martin schrieb treffend über den jungen Künstler :

"Herr Andres zeigte bei seiner Tätigkeit ganz hervorragende Stilkenntnisse. In coloristischer Beziehung gab er den Beweis eines feinen Farbempfindens, desgleichen war er in allen Techniken der Malerei orientiert und sehr gewandt und seine AusfUhrungen zeigten durchweg geschickte Hand und flotten künstlerichen Zug. Sein feines heiteres Benehmen  auch in musikalischgesells- chaftlicher Hinsicht  machte mir stets grosse Freude. "

Onkel Celest spielte schon damais recht leidlich Klavier, Violine und Gitarre, doch darüber später.

Wie aus diesem zu ersehen ist, war die Lehrzeit junger Künstler damais eine äusserst erspriess- liche und bildende Zeit. Ein Semester sassen sie auf der Schulbank, ein Semester gingen sie in die Praxis und konnten somit ihre Kenntnisse sogleich ausfeilen. Die Münchner Kunstakademie war damais für die elsässischen, angehenden Künstler beinahe das obligate Studienzentrum, genau wie es, nach dem ersten Weltkrieg, Paris werden sollte, vornehmlich mit der Académie Jullian.

Harte Kriegsjahre

"Ich kam dann wieder in meine Vaterstadt als selbständiger Meister zurück. 1911 verheiratete ich mich mit einer AltErsteinerin. Ihr Grossvater, Schijfsbauer, lieferte Schiffe bis ins Rheinland. "

Als ich Tante Odile kennen lernte, ich war damais ein ganz kleiner Junge, war sie, wenn ich mich recht erinnern kann, ein zartes Wesen, immer um die Gesundheit ihres Gemahls besorgt. Sie war eine geborene Fender. Aus der Ehe entsprangen drei Töchter, Clara, Madeleine und MarieOdile, meine Kusinen denen ich in liebevoller Verbundenheit dieses Zeilen widme.

Nun also stand Onkel Celest im vollen Berufsleben.

"1914 führte ich den ersten Auftrag auf eigene Rechnung aus ; und zwar unter der Aufsicht des Dombaumeisters Knauth, die Malerei der Kirche in Ebersheim. Die Arbeit war gerade beendet als der Krieg ausbrach und jede künstlerische Tätigkeit lahmte. "

In Ebersheim war später, dies sei nebenbei bemerkt, sein eigener Onkel, Alois Andres, später Pfarrherr, in der ganzen Familie als der "Onkel Pfarrer" bekannt.

Onkel Celest setzt dennoch seine künstlerische Tätigkeit noch zwei Jahre fort. Aus einem Brief an seinen jüngsten Bruder, auch ein Alois, der damais im Lehrerseminar sein Studium beendete, seien folgende Zeilen erwähnt. Sie beweisen wie allseitig der junge Künstler wissensdurstig war :

"Dass ich fort bin von zu Hause wirst Du bereits wissen. Bin ndmlich seit 14 Tagen hier in Lothringen und zwar in der Nähe von Diedenhofen. Leider dauert die Arbeit hier nur noch dieses Woche. Hätte gern die Umgebung hier etwas näher kennen gelernt. Letzte Woche war ich in einer Erzgrube, ungefähr 200 M. tief. Würde dich jedenfalls auch interessieren..."

Dann wurde auch Celest Andres in die Kriegswirren hineingezogen.

"1916 wurde ich zum Militärdienst einberufen. Wahrend zwei Jahren halfich an der Somme und in Flandern die Front mit der Schippe zu verteidigen. "

Aus diesen harten Kriegsjahren berichtete er in unzähligen Briefen an die Mutter, an die Geschwister, an seine Frau, mein Grossvater war bereits gestorben. Merkwürdig an diesem Brief ist die kleine, beinahe mikroskopische Schrift die wohl schon damais, erst recht heute, schwer zu entziffern war. In diesen Briefen tritt uns die zutiefst menschliche Personlichkeit des Onkels entgegen. Neben seinem soldatischen Dienst verbrachte er die langen Stunden im Schützengraben damit seinen Lesehunger zu stillen aber auch köstliche Krippenfiguren aus Holz zu schnitzen, eine Tätigkeit die er auch in späteren Jah­ren fortsetzte.

Obschon er selbst in einer äusserst kritischen Lage steckte, munterte er immer wieder den jüngeren Bru­der dazu auf, recht fleissig zu sein und fest an der Arbeit zu bleiben. Dabei vergisst er nicht, auch die Mutter zu erwähnen :

"Die Mutter wird dochjetzt Zeit haben, den Aufwaschlumpen zu schwingen, nachdem das Geschäft ziemlich ruht... Montag war ich in Gent. Hatte mir eine Stadt vorgestellt wie Schlettstadt. Gent ist aber eine grosse Industriestadt mit vielen Vorstädten. Einige alte Kirchen aus dem 16. Jahrhundert. Mehr durch die Patina als durch die Architektur intéres­sant.

In einer sind tüchtige Maler des 17. Jahrhunderts vertreten... das Rathaus mit seinem mächtigen Turm ist wie ein Sinnbild alter Bürger und Zunftherrlichkeit. Ailes hat mich an den Eindruck Schweizer Städte gemahnt. Leider war dem tüchtigen Volke bei seinem Freiheitskampf der Erfolg versagt. Und jetzt ? Wir sind hier in Flandern. Aufdem Land sind wenig die Französisch beherrschen. Vielleicht noch weniger als bei uns. (Brief vom 2.5.1918).

Verständlicherweise lassen den sensiblen jungen Mann die grauenhaften Bilder des Stellungs- krieges nicht unberührt :

"... Vom Schlachtfeld der Somme, wo wir den ers­ten Stoss mitgemacht, ging 's hierher nach Flandern. Etwas Schrecklicheres kann man sich nicht vorstellen. Ein Granattrichter neben dem anderen. Englische Leichen, deutsche Leichen, von den Kameraden notdürftig zugescharrt, vom Regen wieder halb aufgedeckt. Die Dörfer fast spurlos verschwunden, wenn nicht hier und da aus den Körpem einige Backsteinreste schauten.

Stundenweit hinter der Front kein ganzes Haus mehr. Und jetzt, nachdem ailes kaputt ist, giebt das Gelände auf... Armes Belgien, armes Frankreich, das allerschlimmste ist noch das Wasser, aile Trichter sind eben voll Wasser. Es war doch ein guter Gedanke unserer Heeresleitung die Engländer von Süden her aus diesem schwierigen Geldende herauszumanövrieren... "

Neben diesen schrecklichen Bildern die an Jungers "In Stahlgewittern" gemahnen, unterhält sich der Maler, der Künstler, mit seinem Bruder über seinen Beruf, über seine Arbeiten und über die Arbeit des Bruders :

"Dein Urteil über meine Evangelisten und Kirchenväter gefällt mir recht gut. Tatsächlich ist mein Streben immer nach Ruhe. Gerade in der kirchlichen, monumentalen Kunst was die einzelnen Figuren betrifft. Bin ich ja nur von vieren der eigentliche Vater und glaube ich auch Dir dieselben schon bezeichnet zu haben, die anderen hab ich bloss dazugestohlen weil sie mir gepasst haben. Auf aile Fälle sehe ich die Kirchenmalerei in Ernolsheim cds eine gelungene Arbeit an, trotz einzelner Mangel.

Derheilige Augustinus hatte wohl etwas feinere Züge haben dtirfen. Leider ist das mir nicht gelungen. Die Vorstellung von seiner Person hatte sich aber dadurch bei mir nicht geändert. Gerade in seinen Bekenntnissen tritt er uns als abgereifter allerdings auch verfeinerter Mensch entgegen. Du schreibst mir, dass Du zum 2. Mal bei Daubner warst, zum Malen. Wann war das 1. Mal ? Meine Frau hat mir schon darüber geschrieben, bin aber trotzdem neugierig, Ndheres darüber zu erfahren... "

Den Krieg kann er natürlich nicht vergessen, von dem er "zuversichtlich" hofft "dass wir doch noch bis gegen Herbst mit dem Krieg soweit sind, dass man Leute entlässt, der Urlaub ist wohl noch langere Zeit aufgehoben und sollen nur die Landwirte die unbedingt Arbeit haben auf kurze Zeit beurlaubt werden... Uber die Nahrung kann man sich nicht beklagen. Es schmeckt einem eben ailes und ist auch nichts übrig.

Unsere Quartiere sind sehr gut und müssen wir deshalb weit laufen weil ailes in Trümmern liegt. Aber selbst an unsere Arbeitsstelle wurden die Engländer nur mit weittragenden Geschützen reichen selbst wenn sie dieselben bis ganz in die vordersten Stellungen bringen wurden. Was ja nicht möglich ist. Viele Sorgen macht einem im Hinblick aufeinen baldigen Frieden die politische Zerfahrenheit in Deutschland... " (Brief vom 30.9.1918).

Dann geht der Krieg doch endlich zu Ende und die Glücklichen, die ihn lebend überstanden haben, kehren nach Hause zurück. Darunter auch Onkel Celest. Wie er es selbst schreibt :

"Im Herbst 1918 mussten wir der vielfachen Uebermacht an Menschen und Material weichen und kamen als Besiegte ins Französische Elsass zurück. 1919 wurde ich Mitglied des Gemeinderats fur 10 Jahre. In der ersten Zeit nach 1918 hatte ich noch einige grössere Kirchenarbeiten ausgeführt, doch wurde ich von der Aufsichtsbehörde als Vertreter der Münchner Schule bekämpft.

Es wurde mir dadurch unmöglich gemacht in meinem speziellen Beruf der Dekorationsund Freskomalerei weiter zu arbeiten. Glücklicherweise konnte ich aber zu der Zeit, durch die Entwicklung des Dilettantentheaters welches besonders von der katholischen Geistlichkeit gefördert wurde, als Buhnenmaler mich beschäftigen. Ins Gewicht fiel dabei eine eigene Erfindung welche es ermöglichte mit billigen Mitteln die Szenerie abwechslungsreich zu gestalten. 1928 wurde mir, von der Gemeinde der Zeichenkursus der gewerblichen Fortbildungsschule übertragen. 1935 kamen noch wöchentlich 3 Stunden im Cours complémentaire dazu... "

CÉLESTIN ANDRES, EIN ROMANTIKER AN DER ILL

Auteur : Gabriel ANDRES

publié par la S.H.Q.C. Tome 16

Unter den plastischen Künstlern vergangener Zeiten dürfte dem Kunst und Kirchenmaler Celestin Andres ein kleiner bescheidener Platz eingeräumt werden.

Wenn ich mich heute in den Lebenslauf dieses Mannes vertiefen mochte, so weil er nicht nur ein grosser Künstler war, sondern auch ein Mensch im besten Sinn des Wortes, und nebenbei mein Onkel.

Ich habe ihn zwar nicht als Kunstmaler kennen gelernt, eben als Onkel und als meinen ersten Violinlehrer. Bevor ich darauf eingehe einiges aus seinem Leben zu erzählen, mochte ich kurz auf die Familie hinweisen, aus der er stammte, da ja jeder von uns zu einem wesentlichen Teil das Produkt seiner Familie, seiner Zeit und seines Landes ist.

Da war also mein Grossvater Telesphor Andres, auch er eine Personlichkeit ausserhalb der Normen. Leider habe ich ihn personlich nicht gekannt. Aber ich sehe ihn auch heute noch leibhaftig vor Augen, dank dem sehr schonen Porträt, das Onkel Celest von ihm gemalt hat, dank auch den vielen Anekdoten die mein Vater Aloïs uns Kindern, über den Grossvater zu erzählen wusste.

Die drei Bruder Andres : links Anton, in der Mitte Célest der Kunstmahler dessen Energie  ganz im Herzen, im Kopf und in den Händen lag, und der jüngste Aloïs (um 1965).

Der Buhnenmaler

Die ersten Nachkriegsjahre waren also fur Celest Andres die Jahre in denen er das vielseitige Interesse das er immer fur Kunst und Bildung, fur Kultur, bekundet hatte, in die Tat umsetzen konnte. Als Buh­nenmaler fand er allseitig Anerkennung, wie das aus Presseberichten zu entnehmen ist. Zum Passionsspiel "Um dreissig Silberlinge", das in Gambsheim aufgeführt wurde, konnte man in der Zeitung lesen : "Auf dieser Bühne hat das Künstlertalent unseres elsässischen Bühnenmalers AndresErstein Bilder und Szenen entworfen, die bezaubernd auf das Auge des Beschauers wirken. Welch prächtiges Bild der Szenerie des Atriums mit dem herrlichen Ausblick auf die Stadt Jérusalem oder die Oelbergszenerie."

Das Volksschauspiel "Doktor Faust" fand in Ensisheim begeisterte Aufnahme :

"Die neuen Szenerien stammen aus dem Atelier des bekannten Kunstmalers Andres aus Erstein, der unbestritten an der ersten Stelle der elsässischen Buhnenmaler steht. "

Erinnern wir uns kurz an jenen Brief den er dem Bruder aus dem Felde schrieb und in dem er sich über die Kontakte des Bruders mit Daubner erkundigte. Prof. Daubner war vor dem Kriege Professor an der Kunstgewerbeschule Strassburg gewesen und Leiter des Malerateliers der Strassburger Oper unter Pfitzner. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Celest Andres mit Prof. Daubner Kontakte gehabt hatte, da sich ja beide fur die Bühnendekoration sehr interessierten.

In Fegersheim schuf der Künstler Bilder zum Schauspiel "Schuld und Sühne" von Radermacher : "Allgemeine Anerkennung fanden die von Herrn Cel. Andres Erstein in seiner bekannten, kunst- vollen Art hergestellten, farbenprächtigen Szenerien. Die grosse Verwendungsund Verwandlungs- möglichkeit, verbunden mit einer aussergewöhnlichen Leichtigkeit der Handhabung, machen aus der Baukastenbühne wohl das Idéal des Vereinstheaters. "

Hier handelt es sich wohl um die "eigene Erfin­dung" die er weiter oben in seinem Lebenslauf erwähnte. Um was es sich genau bei der Baukastenbühne handelte entgeht mir, aber es muss schon ein bedeutender Vorteil darin gelegen haben, dass es so augenfallig sein konnte.

In der eigenen Vaterstadt führte Celest Andres unzählige Bühnendekoration aus und erntete damit ebenso grossen Erfolg wie anderswo. Ende März 1932 führte die Theatertruppe des dortigen Männervereins St. Martin ein St. Leofestspiel auf, zu dem der Künstler die Bilder  heute wurde man etwas grossmäuliger sagen : die Szenographie  ausführte : "In puncto ausserer Aufmachung hat die Vereinsbühne gezeigt, dass sie selbst den grossten Anforderungen gewachsen ist. Meister Celest Andres hatte eigens fur dieses Aufführung neue Szenerien geschaffen, die allein schon einen Besuch wert waren.

Das Bild im 2. Akt mit dem Ausblick auf den Petersdom und Engelsburg erregte allseitige Bewunderung. In der 2. Szene des I. Aktes verblüffte der rasche Szenenwechsel auf offener Bühne und im Handumdrehen wurde aus dem Schlosshof zu Eguisheim das stilvolle Intérieur des Bischofspalastes zu Toul."

Aus diesen Zeilen kann man ersehen, dass, auf dem Gebiet der Bühnengestaltung, Onkel Celest ein Vorkämpfer war, der in der heutigen Theaterwelt gewiss eine glänzende Laufbahn gemacht hätte. Es muss hinzugefügt werden, dass, sein Bruder, Onkel Antoine, ihm als Theatermeister mit seiner Erfindungsgabe dabei wacker zur Seite stand. Was heute die Vielzahl ail der kleinen, berufsmässigen Theater . gruppen ist, das war damais das katholische Vereinstheaterwesen. Und zwar aus eigenen, eher dürftigen Mitteln, ohne staatliche oder sonstige Subventionen.

Vergessen wir nicht, dass Kanonikus Müller in dieser Zeit in Strassburg als Vereinstheater der Jung Sankt Peterskirche das nachmalige Theater Union aus eigenen Mitteln erbaute, ein Theater das jeder Berufstruppe Ehre eingelegt hatte und das von der Stadt Strassburg als kleine Bühne übernommen hätte werden sollen. Die Gelegenheit wurde verpasst und es wurde ein Lichtspiel- theater draus, bevor es, in heutiger Zeit vollig umgebaut wurde, als Wohnkomplex.

Der Kirchenmaler blieb unterdessen nicht ganz untätig. Im Auftrag des Bistums malte er verschiedene Kirchen aus, so in Hindisheim wo er eine grosse Freske ausführte  Golgotha, Christus sterbend am Kreuz und die Vermehrung der Brote  Mgr. Ruch, der damalige Bischof von Straßburg gratulierte ihm eigenhändig zu dieser Arbeit. Sie wurde leider durch die Beschiessung der Kirche 19441945 vernichtet.

Wahrend er dieses Arbeiten ausführte, war der Meister stets von Gehilfen umgeben, die eigentlich Schuler waren und denen er, neben der beruflichen Ausbildung, eine solide, grundlegende Kultur vermittelte. Unter diesen darf man hier wohl die späteren Professoren fur Zeichnen Eduard Raul und Hans Hurstel nennen, beide Ersteiner. In seinem geraumigen Atelier konnte er ail die Bühnenbilder aufstellen und anfertigen, die später im Ersteiner Vereinshaus, das 1928 unter seinen bühnentechnischen Anleitungen gebaut wurde, aber auch sonstwo Verwendung fanden.

Insbesondere mochte ich hier die Weihnachtsmärchen von Joseph Holterbach erwähnen, sowie das Mysterienspiel "D'Spiellüstkonigin vu Dusebach" von seinem jüngsten Bruder, Aloïs Andres, meinem Vater, zu dem Joseph Ernst die Musik komponierte. So verwirklichte Celest Andres, nahezu ein halbes Jahrhundert früher, das was wir heute "Maison de la culture" nennen. Weit über Erstein hinaus reichte dieses seine Tätigkeit, wir haben es erwähnt. Zu den bereits genannten Ortschaften müssen noch Oberehnheim und Colmar hinzugeftigt werden.

Onkel Celest war von ausserordentlicher Arbeitskraft. Und seine Tochter erinnern sich noch daran, wie er, wenn die Arbeit und die Zeit drangten, nächtelang im Atelier sass, nach seinen Bildern spähte und hier und dort noch mit den langen Pinseln einen letzten Strich oder Tupfen aufsetzte, bevor am nächsten Tag die kaum trockenen Kulissen abgeholt wurden.

Als Gemeideratsmitglied und Präsident des Gewerbevereins in Erstein war er stets um Kultur und Wohlstand seiner Vaterstadt besorgt. Aus einem bei der ersten Versammlung des Gewer- bevereins, am 19.2.1928 gehaltenen Vortrag entnehmen wir folgende Zeilen :

"Aus dem Gewerbeverein  Das provisorische Komitee konnte sich über die Statuten nicht einigen. Es lag denselben die Statuten vom Barrer Handwerker und Gewerbeverein zugrunde. Unsere Verhältnisse sind andere. Barr hat als Ausflugsort schon viel Verkehr. Nun muss aber bei uns der Verkehr belebt werden. Es können deshalb die Statuten eines anderen Vereins nicht gerade herubergenommen werden. Bekämpfung des Wandergewerbes und Verminderung der Steuern sind Ziele die wir uns wohl setzen können, aber nur im Verein mit anderen Vereinen erreichen können.

Auch können wir nicht daran denken, die Konkurrenz auszuschalten. Bei uns muss der Verkehr belebt werden. Wir können durch Vorteile unsere Geschäftsleute leistungsfahiger machen ; durch billige, elektrische Kraft fur Kleinhandwerker und andere praktische Einrichtungen wie Gas und Wasserleitung, was besonders auch unsere Landwirtschaft leistungsfahiger machen wird. Die Kanalisation und die Strassen sollten verbessert werden. Wir müssen den Fremden den Aufenthalt so angenehm wie möglich machen, dass sie nach einem er­sten Besuch gerne wiederkommen. Ein öffentliches Bad wäre auch sehr nützlich.

Dem Gemeinderat dürfen wir nicht Rückständigkeit nachsagen, er hat, nach dem Krieg viel geschafft, er sah seine Pflicht darin den Gewerbetreibenden Beschäftigung zu beschaffen. Die Anlage eines öffentlichen Gartens wurde viel erwägt, aber die Gemeindebehörde wollte die Verantwortung nicht auf sich nehmen. Es wäre Sache des Gewerbevereins dem Gemeinderat den nötigen Rückhalt zu geben und besonders die Burgerschaft aufzuklären. Au dieses erwähnten Arbeiten würden Beschäftigung verschaffen und so fur die ganze Gemeinde nutzbringend sein. "

Sind das nicht Worte die uns erstaunlich aktuell vorkommen, in dieser Zeit, in der wir aile nach Wohl­stand, Arbeitsbeschaffung streben ? Ein Beweis vielleicht auch dafür, dass es soviel Neues unter der Sonne nie gibt.

Mein erster Violinlehrer

In den Jahren um 1930 lernte ich Onkel Celest kennen. Ich kannte ihn zwar schon, aber ich lernte ihn besser kennen da er mein erster Violinlehrer wurde. Mein Vater hatte nämlich beschlossen, dass ich Geige spielen lernen sollte. In Erstein war nun Onkel Celest  damais schon in einem Alter in dem er an die Pensionierung denken durfte  heutzutage wär er schon pensioniert gewesen  so etwas wie der offizielle Violinlehrer.

Er gab naturlich auch Zeichenund Malkurse, er arbeitete noch etwas für die Vereinsbühnen, aber er war eben der Violinlehrer des Ortes. Und die Ersteiner Dorfjugend die sich dazu berufen fühlte in die Saiten zu greifen, traf sich, wohl am Donnerstag  damais war der Donnerstag der schulfreie Tag  bei ihm. Nun waren wir schon noch eine Bande mit der unser guter Celest seine Mühe hatte. Die Violinstunden waren aber für mich dazu angetan den Onkel etwas eingehender kennen zu ler­nen als dies bei den gelegentlichen und traditionellen Verwandtenbesuchen zu geschehen pflegt.

Während der schönen Jahreszeit gab der Onkel die Stundenes waren manchmal auch nur halbe Stundenin seinem geräumigen Atelier, hinten im Hof, damit die Damen, die Hausbewohnerinnen, nicht allzusehr durch das nicht immer angenehme Gefiedel gestört würden. Da war aber in diesem Atelier ailes dazu geeignet unser schon recht dünnes Interesse an der Violine von diesem Instrument abzulenken. Da standen Leitern herum, insbesondere eine mächtige, schwankende Leiter die zum Dachboden führte,

Farbtöpfe, ganze Kollektionen von Pinseln aller Art, hablfertige Kulissen, Staffeleien mit angefangenen Bildern und noch viel anderes mehr. Während einer der Jungen mühsam die Tonleitern aufund abstieg oder "Fuchs du hast die Gans gestohlen" spielte, tollten die anderen auf richtigen Leitern herum oder spielten Versteck zwischen ail dem Ateliergertimpel. Die verwegensten kletterten gar die schwankende

Leiter hoch und verschwanden auf dem Dachboden, unter ständiger Gefahr abzustürzen, was den bedauernswerten Onkel nicht wenig beunruhigte. Es muss ein guter Schutzengel über diesem Atelier gewacht haben, denn ich kann mich nicht erinnern, dass irgendeinem von uns Arges geschah. Manche lernten sogar ganz ansehnlich Geige spielen.

Onkel Celest verlor nie die Geduld. Er besass eine wahrhaft himmlische Geduld nicht nur für die Bemühungen seiner Schtiler auf der Geige, sondern auch für ailes andere was sie anstellten. Es wurden nicht aile Virtuosen.

Aber der Onkel gedachte ihrer später immer mit Rührung und stellte dann mit Bedauern und Sachlichkeit fest, wenn wir von diesem oder jenem sprachen : "Schad, er het e scheener Afang ghet, schad ass'r nit widdersch gemacht het" ! Bei Onkel Celest hatten, wenn ich mich recht entsinnen kann, aile Schtiler einen schönen Anfang.

Ich verlor den Onkel etwas aus den Augen, als wir nach Strassburg übersiedelten, wohin mein Vater als Schulmeister versetzt wurde. Aber ich sah ihn noch von Zeit zu Zeit, als wir Jungen für einigen Wochen nach Erstein kamen, während der Sommerferien. Wir logierten zwar nicht bei ihm, wo ailes etwas feierlich geordnet zuging, sondern bei Onkel Antoine, der mein Pfetter war, wo das Leben viel unbesorgter dahinfloss.

Aber der Besuch bei Onkel Celest und Tante Odile gehörte zur Tradition und zum guten Ton. Auch spater, als wir immer seltener nach Erstein kamen, durfte der Besuch bei Onkel Celest nicht ausbleiben, wie auch der Besuch auf dem Kirchhof, wo wir uns vor dem Grabe der Grosseltern verneigten. Die Volksbildung gehörte, wie Denise Rack-Salomon schreibt, zu den ständigen Sorgen des Onkels.

In diesen Jahren hatte er auch die Schnitzerei von Krippenfiguren wieder aufgenommen. Ich habe davon auch einige Exemplare erhalten. Da er immer auf Verbesserungen erpicht war, fing er an, dieses Figuren beweglich zu gestalten. An den Gelenken zog er, durch winzige Löchlein, dünne Drähtchen die es erlaubten diesen Figuren verschiedene Stellungen oder Haltungen zu geben.

Er kam aber nicht dazu dieses Patent soweit zu vervollkommnen, dass dieses Figurchen auch in den ihnen gegebenen Haltungen verblieben. Wenn man ihnen allzu akrobatische Hal­tungen aufzwingen wollte, klappten sie kläglich zusammen sobald man sie hinstellte. Sie haben uns dennoch, an Weihnachten, immer Spass gemacht, mir und meinen Kindern, erst recht als der gute Onkel das Zeitliche bereits gesegnet hatte.

Eine letzte grosse Arbeit

Während der Kriegsjahre, 1940-45, nahm die Direktion der Spinnerei in Erstein einige Verbesse­rungen im Gebäude vor, zum Wohlstand der Belegschaft. Unter anderem wurden eine Badanstalt und eine Werkkuche eingerichtet.

"Um unseren Frauen einen Teil ihrer Lasten abzunehmen, wurde nun eine Werkkuche geschaffen, die jedem Gefolgschaftsmitglied von auswarts Gelegenheit gibt ein warmes Mittagessen im Betrieb einzunehmen. Angeregt durch einen Zeitungsartikel, aus dem hervorging, dass die Stadt Erstein eine Ge­schichte hat, um die viele Städte sie beneiden dürften, haben wir uns entschlossen den Speisesaal mit Fresken aus der Geschichte des Klosters und der Stadt Erstein auszusch- mucken. Malermeister C. Andres, ein alter, erfahrener Künstler, hat dies ailes in wundervoll lebendiger Farbenpracht geschaffen und wir hoffen, dass dieses Bilder noch vielen Generationen zur Anschauung dienen werden."

Dieser fromme Wunsch ging leider nicht in Erfüllung, da gleich nach dem Kriege dieses Fresken zugeschmiert oder vernichtet wurden. Die damalige Direktion hatte, allem Anscheine nach, wenig Kunstverständnis und wohl noch weniger Interesse an der Geschichte Ersteins, insbesondere da dieses Bilder aus einer verfemten Zeit stammten. Es wurden damais wieder bauliche Umwandlungen vorgenommen, denen ein Teil der Fresken zum Opfer fielen.

Dazu schreibt Denise Rack-Salomon, Schriftstellerin, Dichterin und gute Freundin der Familie.

Die verschwundene Freske : Karl des Grossen Enkel Lothar schenkt seiner Gattin den Flecken Erstein und das dazugehörige Kloster.

"Thema der Dekoration : die Geschichte der Stadt Erstein. Das war fur den Kunstler die Höhe des Glticks, da er die Geschichte seiner kleinen Geburtsstadt grundlich kannte. Er war glücklich dieses glorreiche Vergangenheit wieder aufleben zu lassen, die leider so wenig bekannt ist, da die letzten Reste davon während der franzosischen Révolution verschwunden waren.

Er bedeckte die Wünde mit grossen Fresken die die Geschichte der Stadt, die Gründung des Klosters durch Irmengard, Gemahlin des Enkels Karls des Grossen, Kaiser Lothar, den Besuch des Kaisers der es liebte Weihnachten im Ersteiner Kloster zu feiern, darstellten. Viele Künstler kamen um das Kunstwerk zu bewundern, das, so dachte man, zum Zeugnis fur künftige Generationen werden sollte."

Daraus wurde also nichts, aus welchen Gründen nun auch. Aber den Direktoren der Kammgarn- spinnerei nach 1945, kann man kaum Kunstsinn nachreden oder auch nur einiges Verständnis fur die Lokalgeschichte.

Eine der Fresken stellte Kaiser Lothar dar, als er seiner Gemahlin Irmengard das schriftliche Dokumen übergibt, das die Schenkung des Klosters und des Marktes Erstein als Hochzeitsgeschenk an seine Gattin, bestätigt. Auf dem Bilde waren ebenfalls die Abetissin und die Schwestern des Klosters dargestellt, die dieser feierlichen Zeremonie beiwohnten.

Zum Gluck hat ein junger, kunstbeflissener Erstei­ner in geduldiger Arbeit die freigelegten Reste die­ser Freske fotographiert, sodass doch nicht ailes rettungslos verloren ist.

Wenn die Verwaltung der "Monuments Histo­riques" 1945 davon gewusst hätte, bestünden diese Fresken wohl noch. Es wäre zu wünschen, dass diese Verwaltung sich nun einsetzt, damit das wenige was davon noch existiert bewahrt bleibe.

Man kann sich lebhaft vorstellen was, sich im Herzen des guten Onkels, der keiner Mücke etwas zuleide getan hätte, vorgegangen sein mag, als er von dieser gegen sein Werk anlaufenden Bildersttirmerei erfuhr. Er muss nicht besonders glücklich gewesen sein. Aber er war eben ein guter Mensch und er wusste wohl, dass ailes Irdische vergänglich ist.

Mit den Jahren wurde es still und stiller um Onkel Céleste. Als er 1959 seine Gemahlin verlor, lebte er zuruckgezogen in seinem gemutlichen Heim, von seinen beiden jungsten Töchtern umsorgt. Wenn das Wetter besonders schon war, liess er sich gerne wieder nach Ebermunster fahren, wo er die herrlichen Malereien seines Kollegen Mages bewundern konnte, insbesondere die ihm so liebgewordene "Maria Himmelfahrt".

Gewiss hatte sein Sehvermögen stark nachgelassen. Aber er kannte diese Malereien bis in die kleinsten Einzelheiten, sodass diese Bilder vor seinem geistigen Auge geradezu leibhaftig erstanden. Ich habe Onkel Celest während seiner letzten Jahre nicht mehr oft gesehen. Man hat eben als junger Mensch arg zu tun im mitunter harten Lebenskampf.

Der Onkel entschlief, sanft wie er gelebt hatte, am 30. September 1965. Nun ist seine Sehnsucht nach absoluter Schonheit gestillt.

Aber, werden Sie fragen, verehrter Léser, was bleibt vom Lebenswerk dieses Künstlers ?

Doch einiges, meist im Privatbesitz. In der Erstei­ner Stadtbibliothek sind zwei Kopien der Dürer Apostel zu sehen, aus der alten Pinakothek zu München. Damais scheuten es die angehenden Kunstmaler nicht, die alten Meister so getreu als nur moglich zu kopieren, womit sie sich nach und nach die Fertigkeit in ihrem Handwerk aneigneten.

Ich besitze ebenfalls die Kopie eines holländischen Meisters, aus dieser Studienzeit des Onkels. Seine Tochter, Nichten und Neffen besitzen wohl auch aile das eine oder andere Porträt, aus elterlichem Besitz, Porträts seiner Eltern, seiner Brüder, mitunter in der abenteuerlichen Tracht eines Ritters oder Junkers, Erinnerungen an die schönen Jahre des "Bängeletheaters".

Was mich angeht, bin ich der glückliche Besitzer von den bereits erwähnten Porträts meiner Grosseltern, also seiner Eltern, etwas strenge, akademische Bilder in Oel auf denen aber der feste Charakter die­ser Grosseltern hervorragend zum Ausdruck kommt. Dazu ein Porträt meines Vaters mit einem Helm auf, im Besitz meines Bruders. Als eine seiner besten Arbeiten in dieser Art, dürfte das grosse Porträt mei­ner Mutter sein, in Pastell ausgeführt.

Des weiteren erfreuen mich beinahe tagtäglich zwei romantische Riedlandschaften die man, in der heutigen nicht immer umweltfreundlichen Zeit als wertwolle Dokumente, aber auch als kunstlerisch hochstehende Bilder bezeichnen darf. Heute mögen sie diesem oder jenem etwas altväterlich anmuten, aber die Frische und das urwüchsige Naturgefuhl das aus ihnen spricht sind auch heute noch von gleichbleibender Wirkungskraft. Was wurde Onkel Celest sagen, wenn er gewisse Auswüchse der heutigen Malerei sehen konnte ? Vielleicht, mit einem nachsichtigen Lächeln : "Schad, ar het e gueter Afang ghet !"

Aquarelle von Celest Andres.

Die verschwundene Freske : Karl des Grossen Enkel Lothar schenkt seiner

Gattin den Flecken Erstein und das dazupehörige Kloster.

Les fresques de Célestin Andres d’Erstein sur le site internet de Pierre Drach, lien : LES FRESQUES